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Ein Netz aus Licht und liebevoller Verbundenheit

von Andy Lang

Weihnachten ist die Zeit im Jahr, wo wir unseren Lieben besonders nahe sein wollen – wenn es gelingt, ist es wie ein Zauber! Wo es nicht möglich ist oder gar misslingt (vielleicht wegen zu hoher Erwartungen, unterdrückter Konflikte, unwahrhaftigen Harmoniebedürfnissen, you name it), klafft die Wunde besonders tief.

Unsere Weihnachtsbedürfnisse sind stark von unserem Erleben dieser Zeit in unserer Kindheit geprägt. Für mich ist die Glocke, die das Kommen des Christkindes einläutet und dreimal ertönen muss, vermutlich selbst heute noch wichtiger für mich als für meine pubertären Kinder; weil ihr Klang in mir den Zauber der sehnsuchtsvollen Erwartung der Bescherung weckt. Selbst noch, als ich als Siebenjähriger bemerkte, dass es die Hand meines Vaters war, die die kleine goldene Glocke in Schwingung brachte. Mein Vater Wolfgang war ein großartiger Weihnachtsfeierer. Er bediente nicht nur die Glocke, sondern auch den Plattenspieler. Aus seiner umfangreichen Sammlung von einschlägigen Platten zum Fest klingt mir auch heute ein Lied besonders in den Ohren: „Weihnachten bin ich zuhaus, wenn auch nur im Traum“. Die Familie musste sich vor der Bescherung unter dem Weihnachstbaum versammeln und zum Klang des Plattenspielers – in Ermangelung eines Instrumentalisten – „Stille Nacht“ singen. Mein Vater brummte falsch, aber mit Begeisterung, ich sang irgendwie mit, mein großer Bruder und meine Mutter ertrugen es mit Contenance.

Wir alle haben solche Erinnerung. Darin spielen unsere Lieben eine ganz besondere Rolle.

Aber jetzt kommt es: Weihnachten ist nicht das Fest der Familie! Es ist kein Harmonierausch, auch wenn es sich als solches trefflich inszenieren und instrumentalisieren lässt. Weihnachten ist das Fest der universellen Liebe! Was anderes sollte es denn bedeuten, wenn Gott sich so sehr auf seine Welt einlässt, dass ER/SIE Mensch wird wie wir?

Deswegen können wir uns daran ein Vorbild nehmen, analog zum Titel des fränkischen Weihnachtsbuchs meines lieben Kollegen H.G. Koch: „Machs wie Gott, werd Mensch!“

Wenn wir Menschen werden – und das heißt: Mitfühlende Wesen – werden wir andere nicht mehr ausgrenzen, sondern ihr Anderssein im schlimmsten Fall aushalten und im besten Fall zu verstehen versuchen. Dann kann doch tatsächlich der Geimpfte mit dem Impfskeptiker feiern, der Hartz Vier Empfänger mit dem Privilegierten und der Weihnachtsfan mit dem Agnostiker.

Ich plädiere für die Kunst des Mitgefühls! Auf 166 Seiten! („Mitgefühl – Spaltung überwinden, Verbundenheit wagen“)

Daraus zitiere ich zuletzt dieses Gedicht von Ulrich Schaffer und sende euch die besten Wünsche für ein wahrhaftes Weihnachten!

Adern der Liebe

Die ganze Welt 

ist durchzogen von Adern der Liebe, 

von Strömen der Zuwendung, 

trotz aller Schreckensmeldungen. 

Viele Millionen davon 

haben ein dichtes Netz geknüpft, 

das uns hält. 

Wer vertraut, sieht es.

In der Welt wird nichts so nötig gebraucht, 

wie Menschen, die an Geld und Besitz, 

an Ansehen, Ehre und Erfolg, 

an Berühmtheit und Sicherheit

vorbeisehen können und die noch 

einen Blick für die Liebe haben – 

die Liebe im Kleinen und Unscheinbaren,

nicht mit der Leidenschaftlichkeit, 

die schnell verfliegt,

sondern mit der Ausdauer, 

an der andere gesunden können. 

Weil es diese Liebe gibt, 

dürfen wir vertrauen. 

Wir dürfen uns hineinwagen

in die Zuwendung, in das Sorgetragen, 

in die Berührung, in den Hautkontakt. 

Eine lebendige Welle trägt uns.


Ulrich Schaffer, zitiert nach: „Mitgefühl – Spaltung überwinden, Verbundenheit wagen“, H.g. Andy Lang, ISBN 979-3-00-070740-7

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