Warum heißt der Johannistag eigentlich Johannistag?

Und warum liegt er genau ein halbes Jahr vor Weihnachten?

von Michaela Moritz

24. Juni ist Johanni. Johanni muss man feiern, denn danach gibt’s keinen Spargel mehr. In Nürnberg wird die Johanniskirchweih gefeiert, und das Johanniskraut muss an diesem Tag gepflückt werden, zur Mittagszeit, weil es dann am meisten Sonne enthält und im Winter als Tee am meisten die Trübsal vertreibt. Nach Johanni geht’s nicht mehr „nauswärts“, sondern „neiwärts“. Johanni ist ein Höhepunkt und ein Wende. – –

Johanni. Johanni ist ein Genitiv und gemeint ist eigentlich der Tag des Johannes. Aber von welchem Johannes eigentlich?

Dazu muss man ein wenig ausholen. Vor langer Zeit gab es ein Paar, Elisabeth und Zacharias, die bekamen keine Kinder. Sie wurden älter und älter und immer trauriger, und da es noch keine Invitrofertilisation und keine Samenbänke und keine Leihmutterschaft gab, blieb ihnen nur das Gebet. Aber auch das half nicht und irgendwann hatten sie es aufgegeben. Just da kam ein Engel zu Zacharias und sagte: Deine Frau wird einen Sohn gebären, der soll Johannes heißen. Und das wird ein besonderer Mensch werden, in seiner Gegenwart werden die Menschen sanft und freundlich werden. Und Zacharias sagte: Das kann nicht sein, meine Frau ist viel zu alt. Und der Engel sagte: Wenn Du’s nicht glaubst, wirst du die Sprache verlieren, bis es so weit ist. Und so geschah es. Elisabeths Bauch wurde rund, und Zacharias wurde stumm.

Als Elisabeth im sechsten Monat war, bekam sie Besuch von ihrer Cousine Maria. Elisabeth begrüßte Maria und sagte: Na sowas, gerade als du zur Tür rein kamst, ist das Kind in meinem Bauch vor Freude gehüpft. Da verriet Maria ihr, ein bisschen errötend: Weißt Du, ich bin auch schwanger. Da kam so ein Engel zu mir…

Und die beiden Frauen klönten ein bisschen, und es stellte sich heraus, dass dieser Engelsbesuch ganz ähnlich verlaufen war wie der bei Zacharias, nur dass der Engel bei Maria angekündigt hatte, dass ihr Kind „der Sohn des Höchsten“ genannt werden würde und „dass seine Herrschaft kein Ende haben“ werde.

Da wurde Elisabeth alles klar. Nämlich, dass Marias und ihr Sohn in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen und dass ihr Sohn der Wegbereiter von Marias Sohn werden würde. Maria blieb noch einige Wochen bei Elisabeth und zwischen den beiden Cousinen entstand eine große Verbundenheit.

Am 24. Juni, in den Tagen des Sonnenhöchststandes, brachte Elisabeth einen pumperlgesunden Buben zur Welt. Zacharias machte Purzelbäume vor Glück, seine Sprache kehrte zurück, und sie nannten das Kind wie der Engel empfohlen hatte Johannes. Was sie sehr passend fanden, denn Johannes bedeutet „Gott ist gnädig“.

Sechs Monate später, am 24. Dezember, in einer der finstersten Nächte des Jahres, brachte Maria ihren Sohn zur Welt, genauso pumperlgesund, aber unter ein wenig ungewöhnlichen Umständen, irgendwo in einem Stall, weil sie und ihr Verlobter gerade auf Reisen waren und die Jugendherberge schon voll – die Geschichte ist hinreichend bekannt.

Die beiden Jungs wuchsen heran. Jesus ging gern in den Tempel zum Diskutieren, Johannes war mehr so der Typ Einzelgänger und zog es vor, in der Wüste herumzuwandern. Als er um die 30 war, kam er zurück, stellte sich in einen Fluss und sagte zu den Leuten. Kommt her, ich übergieße Euch mit Wasser, auf dass ihr neue Menschen werdet: Seid liebevoll miteinander, offenherzig, fair.

Die Leute hielten ihn für den Erlöser, doch Johannes sagte: Ich taufe mit Wasser, doch es wird einer kommen, der ist stärker als ich, der tauft mit dem Geist. Und tatsächlich: Eines Tages kam Jesus zu Johannes, und als Johannes ihn mit Wasser benetzte, wussten plötzlich alle, das ist einer, der hat eine Kraft, die über allen irdischen Elementen steht. Entsprechend sprach Johannes den bedeutsamen Satz: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden.“

Der Satz ist sehr leicht zu verstehen, wenn man Johannes als Symbol für die irdische Sonne nimmt. Wie die Sonne stimmt er die Menschen sanft und freundlich und fröhlich, doch kaum ist er auf seinem Höchststand, wird er auch schon kleiner. Und sobald er kleiner wird und sich entfernt, werden die Menschen trübsinniger und engherziger. Da hilft dann nur Johanniskraut oder eben eine „geistige Sonne“, eine „innere Sonne“, die nicht dem Wechsel der irdischen Umstände unterliegt. Und die wird von Jesus symbolisiert.

Also das ist die Idee von Weihnachten, dass in der finstersten Nacht etwas geboren wird, was die in dieser Jahreszeit fehlende irdische Sonne (mit ihren langen Tagen und ihrem Vitamin D und so) ersetzt, eine geistige Kraft. Und je mehr diese wächst, desto freundlicher, sanfter und fröhlicher sind die Leute, auch wenn die Sonne nicht scheint.

Also das war jetzt der Zusammenhang zwischen Johanni und Weihnachten, den die Kirche in diese wunderbare Geschichte verpackt hat, eine Allegorie eigentlich, bei der die Metaphorik weit im Vordergrund vor der Historizität steht. Ein tolles „Storytelling“, wie man neudeutsch sagt.

Trotz der Lehre von Jesus als der wahren, der geistigen Sonne spricht aber natürlich überhaupt nix dagegen, die schönen lichten, langen Tage des irdischen Sonnenhöchststandes aus vollem Herzen zu genießen, im Gegenteil, dieser Genuss ist eine Kraftquelle für den Winter, er ist der „Wegbereiter“ für die innere geistige Sonne.

In unserem Kalender ist es ja ein bisschen seltsam, dass der Sommer genau dann beginnt, wenn die Tage kürzer werden. Die Menschen des nördlichen Europas haben da eine viel logischere Definition. Für sie ist der Sommer die Zeit um den Sonnenhöchststand herum und der Sonnwendtag entsprechend Mittsommer. Mittsommer ist in Schweden das zweitgrößte Fest nach Weihnachten.

In der schamanischen Tradition gelten die zwölf hellsten Tage des Sommers als Pendant zu den zwölf Raunächten des Winters. Während man in den Raunächten sich durch Einkehr und Meditation damit beschäftigt, seine innere Kraft und Sonne aufzubauen, siehe oben, widmet man die zwölf hellsten Sommertage dem Entzünden von Freudenfeuern, dem Singen, Tanzen und Feiern und der Begegnung mit Elfen, Feen und Pucks. Dass es dabei auch zu der ein oder anderen Verwirrung kommen kann, wissen wir aus Shakespeares Midsummer Night’s Dream, aber was soll’s, früh genug kommt alles wieder in die rechte Ordnung.

Also werft Euch hinein in den leuchtenden Mitsommer, vertraut den Feen und tanzt um das Feuer!

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