Guter Gedanke zum 4. Advent 2020
von Andy Lang
Count your blessings!
Es reicht! Das Fass ist voll! Das Maß läuft über!
So empfinden momentan viele von uns. Und so kann man auch empfinden.
Ständig neue, sich verschärfende, teils widersprechende Corona Maßnahmen.
Angst in Zeitung, Radio und Fernsehen und Horrorszenarien von überfüllten Kliniken.
Sorge um die Zukunft, wirtschaftliche Engpässe, räumliche Enge zuhause, zerplatze Pläne.
Was trägt eigentlich noch? Worauf kann ich mich verlassen?
Der letzte aktuelle Aufreger für mich: Alle Christmetten wurden abgesagt, weil die Ausgangssperre ab 21.00 auch am Heilig Abend rigoros durchgezogen wird. Manche Kirchenkreise haben alle Gottesdienste bis Anfang Januar abgesagt. Nicht, weil Gottesdienstfeiern unter Hygieneauflagen grundsätzlich nicht möglich wäre. Ich denke vielmehr, dass die sich allzeit verändernden Rahmenbedingungen eine solch große Planungsunsicherheit mit sich bringen, dass KollegInnen frustriert die Segel streichen.
Und all das beim Fest der Feste, das sowieso schon mit Erwartungen und Sehnsüchten überhöht ist! Und all das in einem Jahr, wo bereits alle Ostergottesdienste abgesagt waren. Aus der Perspektive der Kirche ist das eine Katastrophe.
Bei diesem Blickwinkel könnten wir bleiben. Und ich habe großes Verständnis dafür, ja ich fühle sogar selbst die Versuchung dazu!
Und dann nehme ich all meine Selbstdisziplin zusammen und erinnere mich:
Alles hat zwei Seiten. Die wirklich wichtigen Dinge im Leben sind immer dialektisch: sowohl so als auch anders. Nichts ist nur hell und leuchtend und nichts ist nur dunkel und schrecklich. Auf gut Deutsch: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und es ist nicht alles Scheiße, was stinkt. Oder gut britisch, um Winston Churchill zu zitieren: „Never waste a good crisis“ – Vergeude nie eine gute Krise!
Ich möchte mir und euch Mut machen, genau das zu tun: In dieser dunklen Zeit den lichtvollen, den hoffnungsgeladenen Momenten einen besonders großen Raum einzuräumen: In den Kirchen dürfen wir nicht singen: Wir können es zuhause tun!
Einkaufspläne sind zerstört: Wir könnten uns mit Zeit füreinander und Zuwendung und Wertschätzung beschenken! Wir dürfen uns nur im kleinen Kreis sehen? Wir könnten uns wirklich sehen und echte Begegnung abseits von Massenevents feiern!
Ich hab wirklich keine Lust auf Durchhalteparolen und Motivationsgequatsche. Bitte versteht mich nicht so! Ich will uns vielmehr daran erinnern, dass wir immer noch die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen: Ob ich mir Zeit für mich nehme, ob ich eine Kerze als Hoffnungszeichen anzünde, ob ich meine dampfende Tasse Tee (oder abends das Glas Wein) genieße, ob ich die Stille suche, ob ich mich an der wunderbaren Natur und ihren kostenlosen Schätzen für unsere Augen und Herzen freue – all das entscheide immer noch ich. So vieles ist möglich. Es kommt darauf an, wohin sich unser Blick richtet und unser Herz wendet.
Im Irischen gibt es dazu ein Weisheitswort: Count your blessings! Zähle deine Segnungen! Wenn wir das wirklich tun, werden wir vielleicht merken, wie reich wir sind.
Dazu möchte ich einer alleinerziehenden Mutter das Wort geben:
Ich, weiblich, 32, alleinerziehend mit einer 3 Jahre alten Tochter, Vollzeitstelle als Filialleitung im Einzelhandel, stecke gerade mitten in einer Krise.
Vor ein paar Wochen wurde mir mitgeteilt, dass unsere Filiale geschlossen wird, also bin ich nach 6 Jahren gezwungen, mir einen neuen Job zu suchen. Natürlich super als unflexible Mama. Mein Noch-Mann meint, keinen einzigen Cent für unser Kind zahlen zu müssen und wir zwei Hübschen leben am Minimum. Außerdem steht die Scheidung bevor, mein Konto ist im Minus und ein neuer Partner ist weit und breit nicht in Sicht, wer will schon eine alte, ausgelaugte Mutter inklusive stressendem Ex?
So sehen meine Gedanken teilweise aus, aber jetzt zur Realität! Wir leben in einem Land, in dem kein Krieg herrscht, mein Kind und ich sind gesund, wir haben eine wunderschöne Wohnung, in der wir uns zu Hause fühlen und ich besitze genug Können und Intelligenz, um einen Job zu finden, der unseren Lebensunterhalt sichert.
Also heißt es “doing´”! Das ist seit Jahren meine Devise und hat mich schon oft aus Krisen geholt. Also: Bewerbungen schreiben, Anträge ausfüllen, den Vater der Kleinen als genau das sehen und nicht mehr als meinen Ex und vor allem anfangen mich selbst zu lieben und den momentanen Umbruch dankbar als das ansehen was er ist – die Chance, um endlich in Ruhe herauszufinden, wer ich wirklich bin, wer Gott ist und was ich von Herzen machen möchte und es dann einfach tun! Deshalb habe ich mich damals auch, trotz aller Ängste und dem Wissen, dass es “hart” wird, für ein Leben ohne den falschen Mann entschieden und habe es keine Minute bereut, denn ich lebe!”
Diese Frau hat einen Sinn in dem scheinbar so Sinnlosen gefunden. Wunderbar!
Genau das ist auch die Weihnachtsbotschaft bei Johannes: Mit Jesus kommt nicht nur das Licht der Welt zu uns, sondern uns wird auch der Sinn erschlossen, wofür wir leben sollen und warum Gott uns liebt!
Das Griechische Wort „LOGOS“ wird traditionell mit „WORT“ übersetzt, aber es heißt eben auch „SINN“.
So verstanden klingt Johannes 1,14 übertragen so:
„Und der Sinn wurde ganz konkret und zog ein bei uns und wir sahen seine Schönheit und wussten: Sie kommt von Gott und bedeutet für uns Liebe von Gott und Wahrheit.“
Wenn es uns gelingt, diesen Worten wirklich Raum zu geben: Raum in unseren Herzen, in unseren Beziehungen, in unserem Alltag: Dann ist Weihnachten geschehen!