Pfingstgedanken von Andy Lang & Annemarie Ritter

Der Gottesgeist durchweht die Krise.

So erfahren es die Jüngerinnen und Jünger.

Es waren wohl ziemlich viele, Freunde und Freundinnen von Jesus, die sich da in einem Haus versammelt hatten. War sicher recht eng. Aber Probleme mit Versammlungsverboten und Kontaktbeschränkungen hatten sie nicht. Dafür den Kummer, dass ER, für den sie alles andere aufgegeben hatten, nicht mehr bei ihnen war. Ich stelle mir vor, wie sie versucht haben, sich gegenseitig zu trösten und zu stärken. Wie sie sich miteinander zurückgezogen haben, um zu beratschlagen, was werden solle. Irgendwie musste es ja weitergehen. Irgendwie – aber wie? Das konnte wohl keiner so recht sagen.

Und dann – so erzählt Lukas – fährt SIE dazwischen – sie, die ruach Elohim, die göttliche Geisteskraft. Sie erfüllt das Haus und die Menschen mit ihrer Gegenwart – jeden und jede einzelne. Sie fegt so gewaltig hinein, dass vermutlich Fenster und Türen auffliegen. Jedenfalls bekommen es offenbar alle im Umkreis mit, laufen zusammen – und staunen, dass sie mitten in dem befremdlichen Geschehen ihre eigene Muttersprache hören – die Sprache ihres Herzens – die Sprache ihrer Sehnsucht – ihre ureigenste Lebendigkeit.

Der Gottesgeist durchweht die Krise.

Und bringt Menschen unterschiedlichster Herkunft dazu, einander zu verstehen; ihre eigene Herzenssprache zu hören und zu gebrauchen; gemeinsam Gott zu loben.

Die göttliche Geisteskraft durchweht die Krise.

Sie bringt Menschen dazu, miteinander zu singen; sich über die Distanz hinweg zu verbinden. Sie „verführt“ Menschen dazu, ihre eigene Herzenssprache wieder zu hören, zu spüren, zu gebrauchen – und einander zu verstehen auf einer Ebene, die tiefer ist als Worte.

In den letzten Wochen haben viele von uns solche pfingstlichen Erfahrungen gemacht – vielleicht ohne es so zu nennen: Die Krisenzeit war durchweht von einer neuen Achtsamkeit füreinander, von Freundlichkeit – auch an ungewohnten Orten wie der Kasse am Supermarkt; von dem intensiven Erleben, dass das Leben zurückkehrt und der Frühling sich mit aller Macht Bahn bricht. Wie oft saßen wir hier in unserem Garten und waren erstaunt und erfreut über die Polyphonie der Vögel, die wir durch die Abwesenheit der Kakophonie des Verkehrs besonders jubilierend erlebt haben. Viele von uns haben sich über tiefstes Blau am Himmel gefreut, ganz frei von den Kondensstreifen des üblichen Luftverkehrs. Jetzt am Wochenende habe ich Menschen erlebt, die in einer so großen Offenheit und Freude an- und übereinander feine Fäden der Verbundenheit zueinander webten, dass selbst ich pilgerverwöhnter Menschenfreund nicht schlecht gestaunt habe. Es scheint etlichen von uns gut getan zu haben, mal eine Weile auf vieles Schönes zu verzichten und Askese zu üben  – so kenne ich es vom Fasten: Danach schmeckt einfach alles intensiver, tiefer, und viel mehr nach Leben als wenn man es sowieso jeden Tag achtlos zu sich nimmt. Klar hatte die Krisenzeit auch belastende und schlimme Momente, aber fast war ich am letzten Wochenende ein wenig traurig: als ich merkte und allein durchs Verkehrsaufkommen spürte, dass die große Maschine wieder anläuft.

Wie wäre es, wenn wir an diesem Pfingsten noch einmal innehalten. Zurückblicken. Fragen, was die Auszeit der letzten Wochen auch als Chance und als Einladung für uns gebracht hat. Wenn wir Platz schaffen würden in unserem Leben. Nicht zuletzt so könnte der Geist hineinwehen und uns mit Neuem erfüllen. Aufräumen müssen vorher wir selbst!

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