Räum die Asche weg!

Von Annemarie Ritter

„Tiefe Wurzeln tragen“ – dieses Wochenende ist einfach magisch – jedes Mal wieder, jedes Mal anders, jedes Mal neu zutiefst wesentlich. Zum dritten Mal durfte ich die Co-Leitung übernehmen. In, mit und unter all dem, was in der Gruppe geschieht, ist es wie eine einzige große Schwellenzeit auch für mich selbst. So vieles „spricht“ zu mir…

Samstag früh. Ich darf das Feuer in der Kapelle schüren. Ich liebe diese Aufgabe. Gerade in der Kapelle ist es bisher meist leicht gewesen und hat mir so gutgetan, das Feuer zu entfachen und zu hüten und anzuschauen.

Heute ist es anders. Das Feuer will einfach nicht brennen. Wieder und wieder geht es nach wenigen Minuten aus. Ich blase in die zarten Ansätze von Glut – sie leuchten auf – und erlöschen. Ich suche nach dünnerem Anzündholz – aber draußen ist alles nass. Ich zerreiße ein Papiertaschentuch in dünne Streifen – nützt auch nichts. Ich bin frustriert und ärgere mich über mich selbst, dass ich offenbar immer noch nicht fähig bin, Feuer zu machen. Nach einer Dreiviertelstunde vergeblicher Bemühungen schreibe ich Andy eine SMS, die er aber erst viel später liest. Nach einer weiteren halben Stunde kniee ich mit Tränen in den Augen vor dem Ofen, der immer noch ohne Feuer ist, und fühle mich wie „siebenmal wirst du die Asche sein“. – Ich versuche es noch einmal. – Und endlich gelingt es… – Mein Herz jubelt, als das erste größere Holzstück Feuer fängt.

Sonntag früh. Eine neue Chance. Heute bereite ich mich besser vor. Ich habe neue Kaminanzünder-Stückchen in der Tasche und im Aufwachen ist mir eingefallen, dass in der Konzertscheune bestimmt sehr schönes Anzündholz für den Herd ist; ich hole ein wenig davon. – Als ich in der Kapelle die Ofentür aufmache, sehe ich, dass Andy sogar schon Holz für ein neues Feuer vorbereitet hat. Also heute bestimmt ganz easy… – Nein! Die ersten beiden Versuche schlagen wieder fehl. Ich versuche, den Aschekasten noch ein wenig weiter aufzuziehen als ich schon habe. Er ist so voll, dass die Asche sich schon in den Ofen zurückzustauen scheint. Wahrscheinlich bekommt das Feuer deshalb keine Luft. – Ich nehme das Holz raus, kehre den Ofen aus, leere den Aschekasten und starte einen neuen Versuch. Jetzt geht es tatsächlich ganz einfach, nach kurzer Zeit brennt ein wunderbares, kraftvolles Feuer. Es wärmt mich äußerlich und innerlich, das zu erleben.

„Räum die Asche weg!“ – Der Impuls fällt mir sonnenklar ins Herz. Ich weiß noch nicht genau, was das im echten Leben für mich bedeutet und wie es gehen kann. Aber die Richtung ist deutlich.

Ich spüre meinem Feuer nach. Es hat ganz unterschiedliche Aspekte. Da ist das Feuer der Begeisterung, das mich Feuer und Flamme sein lässt für das, wofür mein Herz brennt. Da ist aber auch das Feuer des Schmerzes, der in mir brennt, wenn ich mich verletzt fühle; wenn alte Wunden aufreißen; wenn Sehnsucht unerfüllbar bleibt. Das Feuer des Zornes manchmal. Das Feuer der Leidenschaft. Das Feuer wärmender Verbundenheit… Wärmendes Feuer. Zerstörerisches Feuer. Wandelndes, transformierendes Feuer… – und manchmal das Gefühl von Ausgebranntsein. Nur noch Asche.

Mein Gefühl in den letzten Monaten ist nicht selten so gewesen: Dass mir Begeisterung und irgendwie auch Eros fehlte für meine Arbeit. Dass ich mich alt fühlte. Vieles so mühsam war. Mein Körper mir meine Grenzen zeigte.

Wie geht es meinem Feuer? Brennt es noch? Oder sind zu viele Aspekte meines Feuers erloschen? Wenn zu viel alte Asche da ist, kann kein neues Feuer brennen.

„Räum die Asche weg!“ – An welchem anderen Ort hätte ich es stimmiger tun können als in der Waldkapelle?! Erst mal rituell. Es wird sich finden, wie es im echten Leben gehen kann. – Ich spüre: Das ungeplante Ritual hat große Kraft für mich. Ich fühle mich so lebendig, so leicht und weit und frei wie schon lange nicht mehr. Mein Feuer brennt wieder und wird weiter brennen!

Halleluja!

Schreibe einen Kommentar