Vom Einzelnen zur Gemeinschaft   – Pfingstgedanken 2023

Pfingsten ist ein komisches kirchliches Fest. Es steht tief im Schatten von Weihnachten und Ostern und wenn man Konfis fragt, was denn eigentlich an Pfingsten gefeiert wird, erntet man in der Regel Achselzucken. Und mal Hand aufs Herz: Wer von euch könnte eine kluge Antwort geben? In England, wo ich diese Zeilen schreibe, sind am Pfingstsonntag, der hier Pentecost heißt, alle Läden offen – wie an allen anderen Sonntagen eben auch und niemand hat ein besonderes Gefühl.

Was also ist los mit Pfingsten? Ein traditionelle Antwort, was das Pfingstfest eigentlich soll, ist diese: Es ist der Geburtstag der Kirche. Früher war das wohl noch eine befriedigende Antwort, aber heute merke ich, dass bei dieser Definition eigentlich nur ein Fragezeichen durch ein anderes ausgetauscht wird, denn was ist schon „die Kirche“? In Zeiten, in denen immer weniger Menschen sich mit Kirche oder ihren Angeboten verbunden fühlen, gibt es auch immer weniger Bedeutung für „die Kirche“.

Man kann sicherlich gut ohne Kirche leben, auch wenn ich persönlich froh bin, immer wieder gute Erfahrungen in kirchlichen Erlebensräumen gemacht zu haben. Worauf allerdings keiner von uns verzichten kann ist „Gemeinschaft“

Wir sind soziale Wesen und wir brauchen unbedingt einander, nicht nur um Spaß zu haben, sondern nein, wir brauchen einander zum Überleben.

Und das ist die story von Pfingsten: Wie aus einer versprengten, verängstigten und in den Untergrund abgetauchten Schar von Einzelnen eine kraftvolle und inspirierende Gemeinschaft wurde. Kein Menschenwerk, herbeigeführt durch kluge Sozialanalysen und hippe Zielgruppenangebote, sondern ureigenstes Werk Gottes. Um es weniger fromm zu sagen: Da war mehr dahinter als selbst die Eingeweihtesten für möglich gehalten hätten. Die Apostelgeschichte deutet das Pfingstwunder als Wirken des heiligen Geistes, einer machtvollen Wirkweise Gottes. Es ist tatsächlich der gute Geist, der uns zusammen bringt, der heilt und der versöhnt.

Wenn ich in unsere Welt und unsere Gesellschaft blicke, denke ich: Das brauchen wir dringend: Den Geist der Versöhnung. Das Gegengift zur Spaltung. Das Antidotum zu Fake News und Hate Speach.

Das Tolle daran: Wir alle können einen Anteil an diesem guten Geist haben z.B. indem wir uns nicht so wichtig nehmen; indem wir anstelle einer Meinung einen Haltung entwickeln; indem wir uns selbst hinterfragen und Humor statt Verbohrtheit wirken lassen.

Verbohrt. So könnte man sie nennen. Ich tue es nicht, denn ich bewundere, was sie leisten und riskieren, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob sie wirklich der guten Sache umfänglich dienen: DIE LETZE GENERATION hat im vergangenen halben Jahr mit spektakulären Aktionen darauf hingewiesen, dass unsere Regierung ihre eigene Klimaziele mit Füßen tritt. Sie haben eine Mehrheit der Bevölkerung gegen sich aufgebracht, weil sie sich auf Straßen und Verkehrsknotenpunkte kleben und die gestressten Menschen davon abhalten, pünktlich ihre Termine abzuarbeiten und das Bruttosozialprodukt voranzutreiben.

Jetzt werden sie in Bayern mit der Härte des Gesetzes verfolgt und als mögliche kriminelle Vereinigung verunglimpft. Vielleicht ist es rechtlich unstrittig, dass Sitzblockaden den Tatbestand einer Nötigung erfüllen, aber wie sollte denn ziviler Ungehorsam sonst gehen? Mahatma Gandhi hat mit gewaltlosem Widerstand das mächtigste Imperium seiner Zeit, das kolonialistische Großbritannien, in die Knie gezwungen. Dafür hat er und Tausende seiner Weggefährten sich schlagen und verhaften lassen, einige sind sogar an den Folgen gestorben.

Ich führe dieses Beispiel an, weil daran klar wird, was eine Gemeinschaft braucht: Menschen, die alles auf eine Karte setzen, um der Gemeinschaft zu dienen. Der Gemeinschaft, die es auch in zwei oder drei Generationen noch geben soll. Und andere Menschen, die vielleicht nicht so radikal sind, aber die mit ihren Mitteln überlegen, was sie für das Große Ganze tun können und v.a. wie sie das kommunizieren.

Ein Pfingstwunder heute wäre in der Kakophonie der Meinungsmache, versöhnlich und v.a .selbstkritisch auf unsere Welt zu blicken. Die eigene Stimme durchaus zu erheben, aber eben so, dass andere Stimmen auch noch gehört werden können. Wir müssen nicht immer einer Meinung sein. Aber wenn wir eines Geistes sind, können Wunder geschehen.

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