Wann wird Weihnachten?

Der Gute Gedanke von Andy Lang

Erscheint euch diese Frage blöd?

Es ist doch klar, Weihnachten ist am 25. Dezember jeden Jahres. Aber ups, da beginnt schon die Verwirrung, denn bei uns im Lande wird die Christnacht – also die Nacht vor dem Fest, seit Jahrhunderten als der eigentliche Startpunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten, ja gleich als Höhepunkt wahrgenommen. Und so kommt es, dass in deutschen Landen der Heiligabend mit seiner familienspezifischen Liturgie aus Festessen, Bescherung und vielleicht noch – immer weniger – der Kirchgang dem eigentlichen Festtag schon lange das Wasser abgegraben hat. Der 26. Dezember fristet dann im Schatten von Heiligabend nur noch ein kümmerliches Restdasein, wogegen er in angelsächsischen Ländern als St. Stephens Day eine ganz eigene Würde und traditionsreiche Gepflogenheiten hat.

Um uns jetzt völlig zu verwirren: Die orthodoxe Kirche, also die Christen in Griechenland, Russland, der Ukraine und weiteren östliche Gegenden feiert Weihnachten erst am sechsten Januar, dem Dreikönigstag.

Wenn uns also der Kalender nicht weiterhilft, könnten wir es ja mit einem stimmungsvollen Trick versuchen, der auch in vielen Familien zur Weihnachtstradition gehört: Wenn die 4 Kerze am Adventskranz brennt, ist Weihnachten, oder zumindest ist es dann nicht mehr weit. Heuer ist der 4. Advent zugleich der Heiligabend, also stimmt die Gleichung: 4. Kerze = Weihnachten. Nicht früher, nicht später, denn: „Wenn die fünfte Kerze brennt, hast du Weihnachten verpennt“.

Ich merke, dass ich von diesen Überlegungen nicht sehr befriedigt bin. Und wenn ihr meine Titelfrage aufmerksam gelesen habt, dann steht da ja nicht: Wann IST Weihnachten, sondern: wann WIRD Weihnachten?

Als sprachbegeisterter Mensch leite ich davon ab, dass Weihnachten nicht an einem kalendarisch fixierten Punkt stattfindet. Dass es vielmehr ein Prozess ist als ein Date. Man könnte auch sagen: Weihnachten ist ein Beziehungsgeschehen. Es findet nicht statt, sondern es ereignet sich.

Schön und gut, aber wann wird es denn nun? Darauf lassen sich zwei verschiedene Antworten geben, je nachdem wie tief unsere Weihnachtssehnsucht im eigentlichen Weihnachtsgeschehen vor 2000 Jahren verankert ist.

1. Die atmosphärische Antwort lautet: Weihnachten ist, wenn ich mich weihnachtlich fühle. Leider hat diese Antwort einen Haken, denn wir sind ja nicht immer Herr über unsere emotionalen Befindlichkeiten. Aber wir unternehmen viel, um Weihnachtsduft zu schnuppern und uns in die entsprechende Stimmung zu versetzen. Ein befreundetes Paar war an diesem Wochenende in Salzburg – sie sind durch die lichtergesprenkelten Gassen mit ihren wunderschönen Rokokohäusern flaniert, sie haben vielleicht ein bisschen Mozart hier und da gehört, sie haben den Salzburger Weihnachtsmarkt besucht, der tatsächlich schöner ist als der weltberühmte Kollege aus Nürnberg und sie haben das ein oder andere edle Geschenk für ihre Lieben ergattert. Prima! Mir selbst wird es weihnachtlich zumute zuhause, wenn der Duft unseres wagenradgroßen Adventskranzes das kerzenerleuchtete Haus erfüllt und eine der alten Platten meines Vaters sich munter auf dem Plattenspieler dreht – mit ihm, meinem Vater, der ein großer Weihnachtsfan war, verbinde ich diese Klänge und daher mit dem Fest. Meine eigene Kinder sagen bereits dasselbe: „Wenn Papi diese alten Platten auflegt, wird es weihnachtlich schön!“

So schön und auch unschuldig das alles sein mag: Das kann doch nicht alles sein, sagt eine leise Stimme in mir. Deswegen suche ich nach einer alternativen Antwort:

2. Weihnachten geschieht, wenn Wunder passieren. Das scheint eine typisch romantische Aussage. Und dennoch ist sie zutiefst biblisch. Johannes der Täufer hatte einen Messias angekündigt und ihn dann in Jesus identifiziert. Aber Jesus war so ganz anders, als Johannes es sich vorgestellt hat: Viel zu sanft, nicht prophetisch hart genug für den kamelhaargewandeten Rufer in der Wüste. Daher fragte er lieber noch mal nach: „Bist du es, oder sollen wir auf einen anderen warten?“

Die Antwort Jesu (Matthäus 11, 5) führt uns auf die Weihnachtsspur:

„Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt!“

Das soll Weihnachten sein? Wo sind denn da all die Accesoires, die Engel, der Esel, die Glöckchen und der Stern? Und wie oft geschieht es denn, dass Blinde wirklich sehen und Lahme wieder gehen geschweige denn Tote auferstehen?

Wie so viele Aussagen der Bibel kann man die eigentliche Tiefe der Nachricht erst dann erfassen, wenn wir sie auch als Metapher begreifen und auf uns beziehen: Egal wie viele Dioptrin ich habe, ob ich Brillenträger bin oder nicht: ich kann durchaus blind sein. Ich sehe die ungeheure Schönheit um mich herum nicht mehr, weil sie ja immer da ist und ich sie als selbstverständlich erachte. Ich höre die Worte der Liebe und der Zuwendung nicht mehr, weil ich sie zu oft und vielleicht zu kontextlos gehört habe. Meine Lebendigkeit lässt zu wünschen übrig, weil der Alltag mich gefangen nimmt mit seinen überbordenden Ansprüchen (die ich mir oft selber mache) und meinen inneren Akku leer hat laufen lassen. Ich bin innerlich leer und arm und bräuchte dringend eine gute Nachricht.

Und die, ihr Lieben, kommt jetzt. Macht euch bereit, schärft eure Sinne, öffnet eurer Herz, damit ihr es hören, sehen, schmecken, riechen und spüren könnt:

Gott wird Mensch. Nicht irgendwo, irgendwann. Sondern genau hier, in DIR! Er nimmt Gestalt an, wenn du anfängst, dich selbst zu lieben und von diesem Punkt auch die Wesen um dich herum zu lieben beginnst. Gott ist die Liebe. Das ist ein gewaltiges Geschehen, das dich und mich ergreift und uns hineinzieht in seinen Sog. Ich kann gar nicht mehr anders als zu lieben, denn es wird mir zur eigentlichen Natur.

Das ist Weihnachten. Jetzt geschieht es. Mit oder ohne Glühwein, aber niemals ohne ein offenes Herz.

Dein offenes Herz!

Bist du bereit?

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