3: Von der Schöpfung lernen
Ich möchte mit euch heute auf die Natur um uns herum blicken – und zwar mit einem Blick der Freude und der Ehrfurcht.
Viele von uns haben in den vergangenen Wochen ja gestaunt, wie friedlich plötzlich vieles wird und wie ruhig: Keine Kondensstreifen am Himmel; Frühling, der sich mit überbordender, fast verschwenderischer Fülle zeigt; Sonne, die großzügig unseren Vitamin D Haushalt auffüllt. Ich selbst lebe an der B 2 und muss sie überqueren, um zu meiner Konzertscheune oder zum Casa Cara zu kommen: Normalerweise ein Geschicklichkeitsunterfangen – jetzt gerade ein Spaziergang!
Was können wir also von der Schöpfung lernen für unser Leben und unser Verständnis davon?
Zwei ihrer Grundgesetze sind: Alles ist endlich und alles ist im Wandel.
Wir selbst sind endlich und jeder von uns wird sterben. Das ist jedoch kein schreckliches Los, sondern die Grundlage aller Freiheit, wenn wir Freiheit umfassend und nicht nur individuell beschränkt verstehen.
Was kann man am Tod denn Positives sehen? Ganz einfach, ohne den Tod des Individuums würde es kein neues Leben geben und damit auch keine Entwicklung und Reifung. Der Schweizer Schriftsteller und Pfarrer Johann Christoph Tobler sagte bereits 1782 in seinem Essay von der Natur, der Tod sei der schönste Kunstgriff der Natur, „um möglichst viel Leben zu haben“.
Altes muss weichen, damit Neues entstehen kann, in Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Das Leben erfindet sich immer neu in neuen Möglichkeiten. Wäre alles statisch und ewig, gäbe es uns Menschen nicht, weil die Welt ausschließlich von Mikroben und Einzellern bevölkert wäre. Der Tod ist das Tor zur Entwicklung und die Geburt des Neuen. Nur so kann sich das Leben zu Vielfalt und damit zu Schönheit entwickeln.
Unseren eigenen Tod als Möglichkeit in unser Alltagsbewusstsein einzubeziehen, bedeutet keine Kränkung, sondern Weisheit. Schon Psalm 90 (Vers 12) bittet Gott: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.“
Menschen, die intensiv mit der Natur leben, weil sie Landwirte, Förster oder Waldbademeister sind, sehen diesen Vorgang jeden Tag: Altes stirbt ab, Neues entsteht. Selbst Freddy Mercury, dem man keinen bäuerlichen Lebensstil unterstellen kann, singt „Who wants to live forever?“
Wirkliches Glück, weil wirklichen Sinn gibt es nur vor dem Horizont des Todes. Denn nur unsere Endlichkeit zwingt uns dazu, die Verantwortung für unser Leben jetzt zu nehmen und dieses Leben so einzurichten, dass wir in ihm Sinn und daher auch Glück erfahren können – eben als das, was wir sind: sterbliche Wesen in einer endlichen Welt.
Wie können wir diese Zumutung als das erfahren, was sie eigentlich ist: Eine Chance?
Die Antwort darauf liegt an der Art und Weise, wie wir unsere Welt und uns selbst in ihr betrachten:
die angemessene Weise, uns der Natur als Schöpfung zu nahen ist nicht die rationale, intellektuelle, besitzergreifende Analyse, sondern das intuitive Staunen und die ausgelassene Freude über die Mannigfaltigkeit und Schönheit dieser Schöpfung!
Jeder von uns kennt das:
- die Entspannung, die sich in der Stille des Waldes einstellt;
- die Gelassenheit, die sich uns mit dem Rauschen der Meeresbrandung schenkt;
- das Gefühl der Erhabenheit und Demut zugleich beim Anblick majestätischer Berggipfel oder beim Erleben der elementaren Kräfte eines Sturms.
Ich denke dabei an viele kleine Übungen die Spaß machen, die sinnlich sind, die nicht unserem alltäglichen Effizienzstreben unterliegen, sondern uns helfen, im hier und Jetzt anzukommen:
Ich grabe im Beet und freue mich an der nackten Erde, fruchtbar und feucht, von Regenwürmern gelockert und von Millionen Mikroorganismen durchdrungen;
ich tanze im Regen und bewege mich im Rhythmus der Tropfen und des Herzens;
ich lausche den Vögeln und freue mich über ihre Symphonie der Vielstimmigkeit;
ich lehne mich gegen den Wind und erprobe meine Kraft im Austausch mit der des Elements;
ich liege in der Sonne und freue mich über die Liebkosungen meines Körpers durch ihre Strahlen;
ich tauche ins Wasser und bin lebendig durch den Segen des kühlen Nasses.
All unsere Sinne sind hier geschärft und geweckt, wir begreifen uns als sinnliche Wesen in einer sinnenfrohen Welt. Das, was Kinder ganz selbstverständlich und ohne Aufforderung tun: im Sandkasten spielen, im Regen tanzen, im See baden und die Sonne genießen, müssen wir wieder lernen. Die keltische Tradition weiß: „Matter matters“. Die Materie ist wichtig. Der Leib ist heilig. Das Leben ist ein großer Tanz!
Die Erde ist unser Segen!
Stellen wir uns hinein in die Ströme dieses Segens und beginnen wir zu tanzen! Warum nicht?
Gute Gedanken:
- Die richtigen Fragen stellen statt altbewährte Antworten bemühen
- Alles ist im Wandel statt Immer weiter so
- Von der Schöpfung lernen statt Erde ausbeuten
- Gemeinschaft leben statt Egotrip
- Verzicht macht Spaß, Konsum höhlt aus.
- Staunen statt Rennen
- Verletzlich sein statt dem Recht des Stärkeren zu huldigen
- Wertschätzen statt spalten
- Gott wohnt in uns statt „homo deus“