Fehler machen dürfen ….

Bayreuther Sonntagszeitung. Gedanken zur Woche. Sonntag, 18. April 2021

„Mach bloß keinen Fehler“ sagt der Trainer zu seinem Torwart. „Sonst bist du raus, und das für lange Zeit.“ Und die Lehrerin: „Junge, viel zu viele Fehler in deiner Mathearbeit. Note 6. So wird das nichts.“ Und die Reaktion zu Hause auf die schlechte Schulnote? Auch nicht gerade prickelnd.

Zu viele Fehler, du bist raus.

Ich hab mal gehört, wie eine Mutter erzählte: „Wenn meine Tochter eine 1 nach Hause bringt, dann kriegt sie ein Eis mit einer Kugel, wenn sie eine 5 bringt, dann kriegt sie zwei Kugeln, denn dann braucht sie Trost.“ Tja, so geht’s auch! Aber normal ist das nicht.

Normal ist, dass wir erzogen werden in die Richtung: Bloß keine Fehler machen! Die Folge dann nicht selten: Angst. Angst als ständiger Begleiter: „Hab ich schon wieder was falsch gemacht? Ich muss mich konzentrieren! Ich muss alles richtig machen! Die anderen erwarten das von mir!“

Anders ganz am Anfang, wenn wir gerade „geschlüpft“ sind, wenn wir noch Kleinst- und Kleinkinder sind. Da machen wir einen Fehler nach dem anderen, da sind wir tollpatschig, werfen Sachen um, fallen auf die Nase und und und. Und die Erwachsenen lachen sogar noch dazu. Und aus Versuch und Irrtum entwickeln wir uns und lernen dazu.

Wie schon erwähnt: In unserer Gesellschaft werden Fehler oft bestraft – so bemüht man sich, keine zu machen. Oder sie zu vertuschen, wenn sie passiert sind.

Ein lustig-schräger Bürospruch: Wer viel arbeitet, kann viele Fehler machen. Wer weniger arbeitet, macht weniger Fehler. Wer weniger Fehler macht, wird befördert. Ist da was dran?

In modern geführten Betrieben heißt es oft, dass eine große „Fehlertoleranz“ herrscht. Was bedeutet, dass Fehler bei der Arbeit selbstverständlich vorkommen dürfen, dass man keine Angst vor eigenen Fehlern haben muss, dass es hier menschlich zu geht. Gut, wenn das stimmt, gut, wenn es angstfreie Räume gibt, auch am Arbeitsplatz. Oder bleiben solche Aussagen graue Theorie? Wer weiß das schon genau.

Angela Merkel neulich nach der Rücknahme des Beschlusses der Osterverlängerung bezüglich Gründonnerstag und Karsamstag. Gleich am Tag danach ergriff sie die Flucht nach vorn.

„Da habe ich einen Fehler gemacht. Das ist so nicht umsetzbar. Da habe ich einen Fehler gemacht. Und ich möchte mich dafür entschuldigen.“

Warum nicht? Zeugt doch von Größe. Meinen Respekt hat sie. Wer weiß in dieser Pandemie schon, was nächste Woche dran ist? Es ist lästig, ja. Sogar sehr lästig. Aber es gibt keinen Königsweg und es gilt, Woche für Woche wieder neu zu entscheiden. Mit neuen Erkenntnissen, mit neuen Perspektiven. Da passieren Fehler, da gibt es falsche Einschätzungen, logisch. Lästig alles, ja. Nervig alles, ja. Aber es geht wohl nicht anders. Schauen wir in andere europäische Länder: Da kochen alle mit dem gleichen Wasser, mit den gleichen Methoden versuchen sie Covid 19 einzudämmen. Natürlich gab es gleich Reaktionen, Merkel solle zurücktreten. „So was geht nicht.“

Und ihre Bitte um Verzeihung wäre eh nicht ernst gemeint. Und außerdem habe sie ja nur noch ein paar Monate….

Eine Kultur des Verzeihens? Eine Kultur, auch Fehler machen zu dürfen? Geht so was in der Politik?

„Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“ heißt es im Neuen Testament.

Wer nicht handelt, macht auch keine Fehler. Aber mir sind die lieber, die mutig voran gehen, die nicht nur bequem auf ihrem Sofa sitzen und alles passiv–skeptisch-mürrisch beobachten und dann selbstgefällig kritisieren, was andere wieder falsch gemacht haben.

Ausprobieren, mutig sein – ab und zu hinfallen – wieder aufstehen, Krone richten.

Wir haben heute die Glühbirne, weil Thomas Edison selbst nach 10.000 (!) fehlgeschlagenen Versuchen nicht aufgegeben hat, bis es irgendwann mal funktionierte.

Gnädig mit den anderen sein. Nicht Besserwisser. Nicht dauernd kontrollieren und denunzieren. Und auch gnädig mit sich selbst sein. Denn so verstehe ich Gott: Dass er viel gnädiger mit uns ist als wir es zu uns selbst sind.

Ein schönes Wort zum Schluss, das ich mal im Internet gelesen habe: „Entschuldige, wenn ich mich etwas ungeschickt anstelle, aber ich lebe zum ersten Mal.

Kommen Sie gut durch die Woche!

Ihr Wolfgang Burkholz

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